Ziele
Die Behandlung von Essstörungen hat zum Ziel, dass Betroffene wieder ein normales Hunger- und Sättigungsgefühl entwickeln und wieder in der Lage sind, diesem Gefühl zu vertrauen. Sie sollen wieder regelmässig und genussvoll essen und trinken können, ohne dass sich ihre Gedanken dabei ständig um ihr Gewicht, ihre Figur oder um Kalorien drehen.
Die Behandlung einer Essstörung erfolgt grundsätzlich zweigleisig:
- Zum einen muss sich die betroffene Person mit hren Essgewohnheiten und ihrem Körpergewicht auseinandersetzen. Ziel ist es, dass sie wieder regelmässig ausgewogene Mahlzeiten zu sich nimmt, ein normales Körpergewicht erreicht. Der Patient oder die Patientin soll – falls davon betroffen – den Zwang zu übermässiger Bewegung oder exzessivem Sport abbauen, keine Abführmittel mehr einnehmen, keine Essanfälle mehr haben und die Nahrung nicht mehr erbrechen. Um diese Ziele erreichen zu können, muss sich die betroffene Person mit ihren Ängsten in Bezug auf das Essen und das eigene Körpergewicht befassen.
- Parallel dazu ist es wichtig, sich mit der Seele des/der Betroffenen auseinander zu setzen und die persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Hintergründe besser zu verstehen, die zur Essstörung beigetragen haben . Nur so ist es möglich, Lösungen zu erarbeiten und die Krankheit zu überwinden.
Die Behandlung von Essstörungen will erreichen, dass Betroffene:
- normale Essgewohnheiten entwickeln und ein gesundes Körpergewicht erlangen können
- ihre Gefühle wieder wahrnehmen und sie akzeptieren statt sie mit Hungern oder anderen Formen der Esskontrolle zu verdrängen
- sich selbst wieder liebevoll annehmen
- ihr Selbstwertgefühl nicht mehr so stark von ihrem Äusseren abhängig machen
- die Verantwortung für sich, für ihre Gesundheit und für ihr Wohlbefinden übernehmen
- ihren Körper besser wahrnehmen und akzeptieren lernen, z.B. mit Körperwahrnehmungsübungen wie Yoga oder Tai Chi
- Essen wieder mit allen Sinnen geniessen können
Es gibt verschiedene Therapien, um Essstörungen zu behandeln. Meistens werden sie kombiniert angewandt. Bei Jugendlichen hat sich die Familientherapie (= systemische Therapie) bewährt. Je früher die Essstörung erkannt und die Behandlung begonnen wird, desto besser ist die Aussicht, wieder gesund zu werden. Je nachdem, wie weit fortgeschritten die Krankheit ist bzw. wie lange sie schon besteht, kann die Behandlung von Essstörungen allerdings mehrere Monate oder Jahre dauern.
Die Therapie der Wahl bei Essstörungen ist die Psychotherapie, bei Bedarf unterstützt durch Medikamente, Ernährungsberatung und eine Körperwahrnehmungstherapie. Bei der Behandlung von Essstörungen arbeiten qualifizierte Fachpersonen verschiedener Berufs-disziplinen zusammen: Hausärzte/innen, Kinder- und Jugendärzte/innen, Psychiater/innen, Psychotherapeuten/innen, dipl. Ernährungsberater/innen HF/FH und Körpertherapeuten/ innen.
Wichtig für den Erfolg der Behandlung ist, dass der/die Therapeut/in erfahren und qualifiziert ist für die Behandlung von Patienten/innen mit Essstörungen. Er/sie soll dem/der Betroffenen sympathisch sein. Der/die Betroffene muss sich wohl und sicher fühlen und dem/r Therapeuten/in vertrauen. Gleichzeitig sollte der/die Therapeut/in den/die Betroffene/n aber auch herausfordern können, damit er/sie die Essstörung überwinden kann. Wichtig ist auch, dass die verschiedenen Therapiearten untereinander abgesprochen und aufeinander abgestimmt sind.
Viele Menschen mit Essstörungen sind froh, wenn sie endlich Hilfe erhalten – auch wenn sie sie vorerst ablehnen. Wenn du also jemanden kennst, bei dem/der du eine Essstörung vermutest, kann es sinnvoll sein, ihm/ihr deine Beobachtungen und Sorgen mitzuteilen.
Artikel: «Mein Weg zur perfekten, (un)kontrollierten Frau»
H.P. Mein Weg zur perfekten, (un)kontrollierten Frau. PSY&PSY Nummer 1/2012: April 2012: 9-10.