Essstörungen generell

Welche somatischen Abklärungen sind nötig?
Siehe körperliche Abklärungen (PDF)

Wohin muss ich eine Patientin / einen Patienten überweisen bei Verdacht auf eine Essstörung? 
Siehe Anlaufsstellen

Braucht es eine Familientherapie? 
Bei Kindern und Jugendlichen ist eine die ganze Familie erfassende Therapie unverzichtbar. Im Unterschied zu erwachsenen PatientInnen tragen dabei die Eltern eine erhebliche Verantwortung und spielen deshalb in der Therapie eine wichtige Rolle. Ob weitere Personen (Geschwister, Lehrpersonen u.a.) aus dem Umfeld beigezogen werden sollen, hängt von den individuellen Umständen ab.

Ist eine Psychotherapie nötig/sinnvoll ?
Eine auf die Behandlung von Essstörungen spezialisierte Psychotherapie ist bei dieser Problematik die Behandlung der Wahl.
Psychiatrisch-psychologische Abklärungen (PDF)

Was ist aus zahnmedizinischer Sicht zu beachten? 
Im Zusammenhang mit Erbrechen, dem Gebrauch von Abführmitteln und Mangelernährung oder stark Zucker- und/oder Säurehaltiger Nahrung und teilweise ungeeigneter Zahnhygiene kommt es bei Essverhaltensstörungen sehr oft zu Erkrankungen der Zähne und des Mund-Rachenraums. Besonders häufig sind Erosionen des Zahnschmelzes, Karies, Parodontose sowie Hals- und Rachenreizungen und gutartige Vergrösserungen der Speicheldrüsen. Zahnärztinnen und Zahnärzten kommt bei der Prävention und Erkennung von Essstörungen eine wichtige Rolle zu. 

Wie viel Zeit vergeht durchschnittlich vom Beginn einer Essstörung bis zu deren Behandlung?
Mehrere Jahre sind leider auch heute noch die Regel und nicht die Ausnahme. Bei Beginn der Behandlung sind Patientinnen und Patienten mindestens mehrere Monate erkrankt.  

Wie lange dauert es, bis der Zustand der Betroffenen sich ändert, und wie sind die Behandlungsaussichten?
Die Behandlung braucht viel Zeit und kann mehrere Jahre benötigen. Die Behandlungsaussichten hängen von der Vorgeschichte und der Dauer der Erkrankung ab. Etwa ein Drittel findet zu rascher Gesundung, wenn die Therapie mindestens ein Jahr andauert. Allerdings sind diese Betroffenen auch jene, die vor der Behandlung am wenigstens lange erkrankt waren. Ein Drittel verbessert sich leicht und stabilisiert sich, und ein Drittel verschlechtert sich. Dabei sind auch Todesfälle.

Wie hoch ist das Sterblichkeitsrisiko?
Gemessen an der grossen Zahl der Betreuten sind Todesfälle sehr selten. Aber sie kommen vor. Rund 10 Prozent der schwer an Anorexie erkrankten Betroffenen sterben. Bei der Bulimie ist die Dunkelziffer wohl höher. 

Welches ist das prioritäre Ziel der Behandlung einer Essstörung, und welche Massnahmen umfasst sie insgesamt?
Die therapeutischen Richtlinien sind jene der Verhaltenstherapie. Es geht darum, den Teufelskreis aus Verunsicherung, Selbstentwertung, Angst vor Kontrollverlust, Fasten als Kontrollgewinn, Essanfall und Erbrechen, Scham und Schuld zu unterbrechen. Dazu kommen die medizinischen Kontrollen und die Hilfestellung von Ernährungsberatung, Körpertherapie, Zahnmedizin usw.

Ist angesichts der Gefährlichkeit der Krankheit Druck angebracht, damit Betroffene sich behandeln lassen respektive Therapiemassnahmen befolgen?
Etwa 50 Prozent der Betroffenen melden sich aus eigenem Antrieb für eine Behandlung an, weil sie Hilfe wollen. Häufig ist aber sanfter Druck oder Ermunterung nötig von Eltern, Partnern, Freundinnen, Arbeitgebern oder Hausärzten. Eigentlich Zwang vor und während der Behandlung ist nicht zielführend, weshalb auch Zwang aus dem Umfeld nicht akzeptiert werden sollte. Eine Ausnahme ist akute Lebensgefährdung bei einem BMI von 11 oder weniger. Hier ist im Rahmen einer stationären Behandlung mit Einverständnis der Behörden eine Zwangsernährung möglich bzw. unabdingbar.

Welche Erfahrungen gibt es zur Krankheitseinsicht der Betroffenen?
Bei vielen Betroffenen ist die Krankheitseinsicht nur spärlich vorhanden. Vor allem denken sie nicht, dass es am Gewicht liegen könnte. Aber einen Leidensdruck haben alle. Die Gefährlichkeit wird oft unterschätzt, auch die langfristigen körperlichen Folgen sind den meisten nicht bewusst oder werden bagatellisiert.

Welche Symptome nehmen Betroffene selber wahr bzw. aufgrund welcher Beschwerden melden sie sich zur Behandlung?
Meistens sind es körperliche Beschwerden wie Müdigkeit, Verdauungsprobleme, Leistungsabfall, Konzentrationsstörungen, Frieren auch bei normalen Temperaturen, Bluterbrechen, Unfruchtbarkeit usw. Andere Betroffene sind noch weitgehend unbeeinträchtigt im Alltag, leiden aber trotzdem unter der Symptomatik. Die Familie hat Angst wegen des Untergewichts, ekelt sich vielleicht auch vor den Fressanfällen oder den Spuren des Erbrechens. Auch die Angst, die Tochter (oder der Sohn) könnte sterben oder behindert werden, ist verbreitet.

Gibt es ausser Jugendlichen und Adoleszenten weitere Altersgruppen, die besonders gefährdet sind, an einer Essstörung zu erkranken?
Jede Altersgruppe ist betroffen. Die Häufigkeitsgipfel sind bei Anorexie zwischen 12 und 18 Jahren, bei Bulimie zwischen 15 und 18 Jahren, dann nochmals zwischen 20 und 25 Jahren. Übergewicht ist überall verteilt, es kann auch schon im Kindesalter morbid werden.

Interview zum Thema Essstörungen (PDF)