Magersucht (Anorexie)

Welches sind die Hauptanzeichen einer Anorexie? 
Leitsymptome sind Untergewicht (BMI ≤ 17,5 kg/m2, Amenorrhoe und Körperschemastörung.
Link zu „DSM IV und ICD10

Ist es möglich, Magersucht vorzubeugen – und wie? 
Prävention von Magersucht zielt auf die Verminderung oder Beseitigung der Ursachen. Dazu gehören: Mangelndes Selbstwertgefühl, zu starke Leistungsorientierung, perfektionistisches Familienideal mit Pseudoharmonie, Gewalt und (sexueller) Missbrauch, zu starke Fixierung des Selbstwertes auf Figur, Gewicht und Aussehen, unklare Rollenabgrenzungen in der Familie (Parentifizierung).

Trifft es zu, dass Beziehungs- und Familienprobleme der Hauptverursacher von Magersucht sind?
Familiäre Konstellationen und Beziehungsprobleme sind ein wichtiger Mitverursacher. Es sind aber stets mehrere Ursachen an der Entstehung beteiligt. Für „Anorexie-Familien“ typische Konstellationen sind:

  • Unklare Grenzen / Rollendiffusion
  • Asketische Haltung, Leistungsideal
  • Missachtung/Fehlinterpretation von Bedürfnissen
  • Verhinderung von Autonomie / latente Aggression
  •  Keine Duldung von Subsystemen
  • Mangel an unbedingter Wertschätzung
  • Fassade der Pseudoharmonie / dabei „anger-in“ Verhalten

Können magersüchtige Betroffene mit einer Therapie psychisch ganz geheilt werden? 
Von Heilung spricht man, wenn eine völlige Wiederherstellung des vorherigen Zustandes erfolgt. Ca. 1/3 der Betroffenen erfährt eine weitgehende Besserung, allerdings bleibt das Thema Essen meist lebenslang wichtig und Rückfälle sind häufig.

Was für Spätfolgen sind nach einer Magersucht zu erwarten? 
Spätfolgen sind psychischer und körperlicher Natur und treten eher bei längeren Erkrankungen auf.
Körperliche Folgen sind:

  • Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen (Eierstöcke, Hoden) mit Aussetzen der Regelblutung, verzögerter Pubertät
  • Knochenschwund (Osteoporose)
  • Herz- und Skelettmuskelschwund, Schwäche, Krämpfe
  • Verstopfung, Blähungen, saures Aufstossen, Völlegefühl
  • Blutarmut, Gerinnungs-Störungen
  • Verlangsamter Herzschlag, tiefer Blutdruck, Herzrhythmusstörungen
  • Untertemperatur, Kältegefühl, Lanugo-Behaarung
  • Salzhaushalt-Störungen, Ödeme, Verwirrungszustände, Leistungsabfall
  • Vergrösserte Speicheldrüsen, Zahnschmelzschäden, Parodontose, Karies, Zahnverlust

Psychosoziale Folgen sind:

  • Kontaktstörung
  • Selbstverletzungen
  • Beziehungsschwierigkeiten und -abbrüche
  • Depressives Syndrom
  • Zunehmende Isolation
  • Dissoziales Verhalten (Beschaffungskriminalität bei bulimischen Phasen)
Warum erkranken immer mehr Männer an Magersucht?
Klassische Risikofaktoren wie Schönheits- und Schlankheitsideale, widersprüchliche Rollenideale, immer jung resp. Unreif aussehen, Gewalterfahrungen, Missbrauch und zusätzlich noch RF aus dem Bereich des Sports wirken sich bei Knaben und Männern heute stärker aus als früher, resp. Sind erst heute von Bedeutung.

Warum werden die Mädchen und Jungen immer jünger?
Die für Figur, Gewicht und Aussehen wichtigen Ideale werden immer früher wichtig, es gibt Pflegeserien, Schminke, Kleidung, Medienerzeugnisse usw. die speziell für Kinder und Jugendliche konzipiert werden, früher gab es diese nur für Erwachsene. Es ist auch eine Fixierung der Gesellschaft aufs Körperliche, eine Übersexualisierung zu beobachten, die immer Jüngere trifft. Dazu kommt, dass der Eintritt in die Pubertät und die damit verbundenen körperlichen Veränderungen aufgrund von veränderten Lebensbedingungen (Ernährung, Gesundheitsvorsorge, Genetik) immer früher auftreten.

Wie genau kommt es zur Körperschemastörung?
Das ist ein riesiges Thema, welches sich nicht so einfach beantworten lässt. Durch innere und äussere Reize machen wir uns eine Bild, eine Schema unseres Körpers bereits in der Kindheit, durch versch. Erlebnisse, Feedback , Veränderungen wird dieses Bild ständig modifiziert und angepasst. Einflüsse sind z.B. Bemerkungen von wichtigen Bezugspersonen, von sozialen Vorbildern, Reifungsvorgängen im Gehirn, Kleidung, Werbung etc. Suggeriert also dieser externe Einfluss, dass der Körper zu dick sei, so entsteht der Wunsch abzunehmen, um sich anzupassen. Dass die Vorbilder nicht der Realität entsprechen, also verzerrt sind, realisieren die meisten Personen zu Beginn nicht. Verändert der Körper sein Gewicht stark, nach unten oder oben, dann kommt diese Körperselbstwahrnehmung ins Schleudern, man beobachtet in der Klinik, dass je stärker eine Magersüchtige abnimmt, desto verzerrter ist ihr Körperbild.

Wie verhalten sich die Betroffenen in ihrem Umfeld wenn es nicht um das Essen geht?
Auch ohne Konfrontation mit dem Essen zeigen viele Magersüchtige extrem hohe Leistungsideale, wollen alles gut oder besser perfekt machen, sie sind auch bereit, dafür Beziehungen und eben die eigene Gesundheit zu opfern.

Was sind die Langzeitschäden?
Langzeitschäden sind körperlich wie auch psychische zu sehen. Körperlich: Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen, Ausfall der Menses, Fruchtbarkeitsstörungen, Probleme bei SS und Geburt, Osteoporose, Zahnschädigungen, Wachstumsrückstand bis –stillstand, Schädigungen des Herzmuskels und der Nieren, verringerte Lebenszeit, u.U. Abbau von Hirnsubstanz mit Leistungseinbussen, hartnäckige Verdauungsstörungen. Psychisch: Sozialer Rückzug mit Isolation, Beziehungsabbrüche, Probleme in Schule und Ausbildung sowie am Arbeitsplatz, u.U. Arbeitsunfähigkeit und Invalidität, Depressivität, Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen, Medikamentenabhängigkeit (v.a. Appetitzügler und Abführmittel), Suizidalität.